Jeder Mensch neigt gelegentlich dazu, sich negativen Gedanken hinzugeben oder stundenlang zu grübeln. Erst wenn es zum Dauerzustand wird und die Grübelei sich in richtige Katastrophenszenarien steigert, wird es zum Problem. Mit gravierenden Folgen!
Wenn ich von negativem Denken spreche, meine ich nicht die gelegentlichen Momente, in denen man schlecht gelaunt ist oder zu überhaupt nichts Lust hat. Es ist auch nicht notwendig, jeden ansatzweise kritischen Gedanken aufzuspüren und hochkant aus dem Kopf zu werfen. Was im Übrigen auch gar nicht möglich wäre. Es gibt jedoch Muster, die es leichter machen, den tiefliegenden Saboteuren im Kopf auf die Spur zu kommen. In der Folge möchte ich einen Überblick über die 6 häufigsten Arten negativen Denkens geben:
1. Alles-oder-Nichts-Denken oder auch Schwarz-Weiß-Denken genannt
Das ist die mit Abstand häufigste Art der negativen Gedanken. Sie ist nicht leicht zu entdecken, da sie im Gewand absoluter Wahrheiten daherkommt. Wir glauben ganz tief in uns drin, dass diese Wahrheiten Realität sind. Und erkennen darum gar nicht, dass wir gerade dabei sind, uns selbst mental zu sabotieren. Klassische Merkmale dieses Denkens sind Sätze wie: „Wenn ich das nicht hinbekomme, war’s das mit der Beförderung“, oder „Ich muss unbedingt abnehmen, sonst verlässt er mich“, oder „Ich habe nur diese eine Chance, den Pokal zu gewinnen. Wenn nicht, ist es aus mit meiner sportlichen Zukunft.“
Die Gefahr bei diesen Sätzen ist, dass sie plausibel klingen. Es kann ja sein, dass es in deiner Firma nur alle Schaltjahre zu einer Beförderung kommt. Du tatsächlich das letzte Mal, auf Bewährung sozusagen, auf ein Projekt angesetzt worden bist und nur im Erfolgsfall berücksichtigt wirst. Und die nächste Runde findet erst in zehn Jahren und damit weit nach dem Eintritt ins Rentenalter statt. Es kann ebenfalls sein, dass dein Freund oder deine Freundin dir ein Ultimatum gestellt hat, weil du in den letzten Jahren etwas Hüftgold angesetzt hast und er oder sie ein echter Fitness-Freak ist. Und es kann ebenfalls sein, dass du in einem Sport aktiv bist, der nur bis zu einem gewissen Alter auf einem sehr hohen Leistungsniveau betrieben werden kann.
Also auf den ersten Blick betrachtet, ergeben diese Sätze Sinn. Und wir glauben sie darum auch. Je mehr wir an ihre Gültigkeit glauben, desto mehr Angst bekommen wir vor dem Scheitern. Wir machen uns mit diesen Gedanken immer mehr Stress und dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir das gesetzte Ziel tatsächlich nicht erreichen. Aber wenn wir einen rationalen Blick auf die Sätze werfen, merken wir sehr schnell, dass das alles gar nicht so stimmt. Selbst wenn es in deiner Firma so zugehen sollte, warum bleibst du dann dort? Wenn die Firma dir keine Perspektiven bieten kann, heißt das noch lange nicht, dass du selbst nicht gut genug bist. Deine Fähigkeiten sind ja unbestritten vorhanden, sonst wärst du ja von vornherein nicht für die Beförderung in Frage gekommen. Und in anderen Firmen wärst du wahrscheinlich mit deiner Erfahrung höchst willkommen.
Eine erfolgreiche Zukunft als aktiver Sportler in genau deinem Segment kann schon schwierig sein. Aber wie definierst du „erfolgreiche Zukunft“? Viele Leistungssportler schaffen nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn den Sprung entweder in eine Trainerkarriere oder auch in die freie Wirtschaft. Menschen, die über Jahre so viel Hingabe, Selbstdisziplin und Leistungsbereitschaft bewiesen haben, dass sie ganz vorne dabei sein können, sind in vielen Berufen gefragt. Also bieten sich auch nach dem Ende der aktiven Laufbahn noch viele Möglichkeiten für eine mehr als erfolgreiche Zukunft. Noch dazu eine, die mit weniger Schmerzen und Verzicht zusammenhängt.
Um zum letzten Beispiel zu kommen: Wenn du wirklich einen Partner haben solltest, der sich mit solchen Äußerlichkeiten beschäftigt, ist eine gemeinsame Zukunft auch nicht erstrebenswert. Wenn der Wunsch, doch etwas abzunehmen, echter Sorge um die Gesundheit entspringt, wird einen der Partner nicht gleich verlassen. Wenn es dagegen nur um das Erscheinungsbild nach außen geht, ist es tatsächlich besser, den Partner lieber zu verlassen. Denn dann stehen die Chancen auf eine wirklich glückliche Beziehung in der Zukunft woanders deutlich besser.
Das waren jetzt sehr plakative Beispiele, aber sie zeigen, dass es vor allem unser Glaube ist, der uns das Leben schwer macht. Denn es gibt nie nur „schwarz und weiß“ oder „alles oder nichts“. Alles im Leben kommt in verschiedenen Zwischenstufen daher. Und auch wenn wir nicht immer alles erreichen können, was wir uns erhoffen, so ist das Ergebnis davon so gut wie nie das Ende. Oder die absolute Katastrophe, die wir befürchten haben. Ganz im Gegenteil.
Horche einmal tief in dich hinein: Gibt es nicht mindestens einen Fall, in dem du so gedacht hast, und am Ende warst du sogar froh, dass alles ganz anders gekommen ist?
2. Übertriebene Verallgemeinerung
Diese Art des negativen Denkens ist eine Variation der ersten und ebenfalls schwer zu erkennen, da wir in unserer Kultur sehr stark zu Stereotypen und Verallgemeinerungen neigen. Biertrinker bekommen einen Bauch, Intellektuelle trinken gerne Wein und ältere Menschen können keine neuen Sprachen mehr lernen. Stimmt, oder?
Natürlich nicht. Und wenn man uns direkt mit solchen Verallgemeinerungen konfrontieren würde, wäre unsere erste Reaktion, den Kopf zu schütteln. Rational wissen wir ja durchaus, dass das Leben komplexer und bunter ist. Was uns selbst anbelangt, haben wir uns jedoch im Laufe unseres Lebens oft unbewusst solch eine negative Einstellung zu uns selbst angewöhnt. Es ist, als wäre ein Kritiker in uns, der ein einziges negatives Erlebnis in einen Dauerzustand verwandelt und uns mit erhobenem Zeigefinger sagt: „Du kriegst auch nie etwas gebacken!“ Du triffst in der Bar eine Frau (oder auch einen Mann), die du gerne ansprechen würdest, aber vor lauter Nervosität fällt dir in dem Moment, in dem sie neben dir steht, überhaupt nichts mehr ein. Du merkst, wie du rot anläufst und belangloses Zeugs stotterst. Und schon tönt er, dein innerer Kritiker, und meint: „Du wirst nie eine abbekommen!“
Du hast dich auf eine Traumstelle beworben, bist aber noch nicht einmal zur ersten Runde der Vorstellungsgespräche eingeladen worden? Ganz klar, du hast einfach nicht das Potenzial für solch eine Stelle. Es ist besser, du backst gleich kleinere Brötchen, denn das wird beim nächsten Mal auch wieder so laufen.
Irgendwann glaubt man tatsächlich, das eigene Leben sei eine Serie von Desastern, Peinlichkeiten und unerreichbaren Träumen. Aber - du ahnst es schon - das ist natürlich nicht der Fall. Beim nächsten Mal in der Bar legst du dir vielleicht vorher eine einfache Strategie zurecht, einen lockeren Eisbrecher, der dich ins Gespräch kommen lässt. Oder dein bester Freund stellt dich überraschend einer Frau vor, die sofort dein Herz höherschlagen lässt (so hatte ich übrigens meine Frau kennengelernt - direkt ansprechen hätte ich mich nie getraut).
Bei dem Traumjob gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, was schiefgelaufen sein könnte, und nur wenige haben etwas mit deinem Potenzial (also deinen Möglichkeiten in der Zukunft) zu tun. Es kann sein, dass dein Profil wirklich nicht passt und sie jemanden gesucht haben, der etwas anders ist als in der Stellenausschreibung formuliert. Auch dahinter stecken nur Menschen, die einmal Fehler machen können. Es kann sein, dass die Stelle auf einmal gar nicht mehr besetzt werden darf oder kann, weil die Firma inzwischen in finanzielle Schieflage geraten ist. Oder es kann sein, dass dir das Schicksal einen Gefallen getan hat, weil du in der Firma überhaupt nicht glücklich geworden wärst. Und schon ein paar Wochen später meldet sich ein Headhunter und holt dich in eine Firma, wo du all das vorfindest, was du dir immer erträumt hattest.
Das Problem bei solchen Situationen ist, dass wir uns die Zeit nicht nehmen, in uns hinein zu horchen und zu hinterfragen: „Hoppla, wer sagt das denn? Stimmt das denn überhaupt?“ Aber genau das müssten wir machen, wenn wir wieder einmal die Stimme in uns hören, die sagt: „Alles geht immer schief“, oder: „Mein ganzes Leben ist Mist…“ Probiere es einmal aus und du wirst sehen, wie schnell dir Beispiele einfallen, die belegen, dass solche Gedanken purer Unsinn sind.
Ach ja, und Sprachen lernen kann man übrigens in jedem Alter. Bei uns am Ort lebt ein amerikanisches Ehepaar, beide weit über 70. Sie sind vor gut 40 Jahren hergezogen, aber weil so gut wie jeder in der Nachbarschaft froh war, das eigene Schulenglisch aufzubessern, haben sie nie wirklich Deutsch gelernt. Bis Michael, so heißt der Mann, 65 wurde und in Rente ging. Da wollte er sich einen Lebenstraum erfüllen und Geschichte studieren. Auf Deutsch. Das hat er auch geschafft: Er hat es bis zur Doktorarbeit gebracht. Ebenfalls auf Deutsch. Ich nehme an, dass auch sein innerer Kritiker gelegentlich sagte, dass das alles nichts mehr wird. Aber ganz offenbar hat er es einfach nicht geglaubt.
3. Eingeengte Wahrnehmung
Diese Art negativen Denkens hat uns die Natur mit auf den Weg gegeben. Seit unserer Zeit in den Höhlen ist unser Gehirn darauf getrimmt, Gefahrensituationen sofort zu erkennen und die netten, gemütlichen, schönen Dinge des Lebens zunächst einmal zu ignorieren. Das führt dazu, dass der Koffer, der erst am Tag nach uns am Urlaubsort ankommt, der Fehler beim Check-Out, der zu Diskussionen mit dem Hotel führt oder der unfreundliche Flughafenangestellte über allem stehen, wenn wir an unseren Urlaub zurückdenken.
Und nicht nur das. Wenn Freunde fragen, wie denn der Urlaub war, kommt oft spontan „ein ziemliches Desaster“ als Antwort. Denn wir haben in diesen Situationen Stress empfunden und der Steinzeit-Teil in unserem Gehirn sagt uns, dass wir deswegen in Gefahr gewesen sind. Wir „fühlen“ uns tatsächlich schlechter, weil diese Ahnung, gerade noch einmal davongekommen zu sein, irgendwie die restliche Erinnerung überschattet. Wenn wir insgesamt entspannt sind und es uns ansonsten gut geht, fällt das nicht so ins Gewicht. Und wir vergessen tatsächlich mit der Zeit die weniger schönen Vorkommnisse.
Wenn wir uns schlecht fühlen bei Dingen, die eigentlich Freude machen sollten, hilft es, ganz aktiv in unserer Erinnerung nach den schönen Erlebnissen zu kramen. Diese waren mit Sicherheit zahlreicher als die kleinen Ärgernisse, die für unser auf Überleben gepoltes Gehirn nun mal im Vordergrund stehen.
4. Leugnung des Positiven
„Hochmut kommt vor dem Fall“ - wie oft musste ich mir diesen Spruch von meiner Großmutter anhören. Als Kind war ich sehr lebhaft, neugierig und begeisterungsfähig. Alles wollte ich wissen und ausprobieren. Keine Herausforderung war mir zu schwierig. Und wenn ich dann geschafft hatte, was ich wollte, kam ich oft begeistert zu meinen Eltern gerannt und brüllte schon von weitem: „Ich bin heute vom 5-Meter-Brett gesprungen und mein Sprung war der aller aller aller allerschönste.“ Meine Eltern lachten meistens, lobten mich manchmal und ignorierten mich gelegentlich. Großmutter schüttelte immer missbilligend den Kopf und ermahnte mich, dass - genau - Hochmut immer vor dem Fall komme.
Irgendwann hatte ich das so verinnerlicht, dass ich von mir aus gar nicht mehr preisgab, wenn ich glaubte, etwas Großartiges geleistet zu haben. Ich freute mich jedoch, wenn es anderen auffiel. Mit der Zeit fiel auch das weg und immer, wenn ich im Job oder auch privat ein Kompliment bekam, fühlte ich mich bemüßigt, es „wegzureden“.
Nun kann das durchaus aus Bescheidenheit geschehen, denn das gilt noch immer als „schick“. Eventuell auch, weil man mit „nein, das war doch nichts, das hätte doch jeder hinbekommen“ oft noch einmal zu hören bekommt, wie toll man tatsächlich war und dass das wirklich nicht jeder schafft. Also eine ganz normale Situation für die meisten von uns. Problematisch wird es, wenn wir in unserem inneren Dialog uns selbst absprechen, etwas gut hinbekommen zu haben. Wenn das wirklich gelungene Konzept „nur dem Input des ganzen Teams zu verdanken ist und man das alleine sowieso nie hinbekommen hätte.“ Oder wenn das tolle Abendessen für den Schatz ein reiner, wenn auch glücklicher, Zufall war.
Dies in Kombination mit anderen negativen Glaubenssätzen ist sehr gefährlich, denn während wir Verallgemeinerungen und einseitige Vorurteile noch als „schlecht“ identifizieren können, scheuen wir uns alle vor dem Vorwurf von „Eigenlob“ oder eventueller Arroganz. Dabei ist es wichtig, sich selbst auch gute Leistungen zuzugestehen und darauf stolz zu sein. Wenn wir das immer verleugnen, dem Zufall zuweisen oder für Glück halten, werden wir tatsächlich depressiv. Auch dazu gibt es klinische Studien.
Bestätigung und positive Rückmeldung ist eine der Grundbedürfnisse des Menschen. Wenn wir uns das selbst versagen, machen wir uns unnötig abhängig von äußerer Bestätigung. Oft mit dem Ergebnis, dass wir immer krampfhafter versuchen, einen bestimmten Eindruck zu erwecken, um eben diese Rückmeldung zu bekommen. Das versetzt uns in Dauerstress, mit ernsthaften gesundheitlichen Konsequenzen.
5. Übertreibung von Fehlern
Ich bin sicher, dir fallen zahlreiche Beispiele zum Spruch „Aus einer Maus einen Elefanten zu machen“ ein. Gelegenheiten, bei denen Menschen in deinem Umfeld eine Kleinigkeit zu einem riesigen Drama gemacht haben und du dich darüber gewundert hast. Mit uns selbst machen wir das am laufenden Band. Ähnlich wie bei den Verallgemeinerungen lassen wir es zu, dass uns eine schlechte Erfahrung den ganzen Tag oder auch den ganzen Urlaub verdirbt.
Wir sind mit Freunden am Feiern, unterhalten uns glänzend, und dann stolpert einer der Gäste und schüttet dir den Rotwein über das Hemd. Nicht deine Schuld. Es ist einfach nur ein Missgeschick, das in Sekunden passiert ist. Und dank eines T-Shirts, das dir der Gastgeber leiht, sowie einer schnellen Waschaktion, ist es sehr schnell aus der Welt geschafft. Aber woran denkst du vor allem, wenn du dich an die Party erinnerst? Genau, an den Moment, in dem du zur Lachnummer wurdest. Glaubst du zumindest. Genauso wie du glaubst, dass alle, die auf der Party waren, dich von nun an nur noch so sehen: Der Kerl, der den Rotwein über das Hemd bekommen hat.
Aber einmal Hand aufs Herz: Weißt du noch, wer bei den letzten Feiern durch ein Missgeschick aufgefallen ist? Wenn es nicht gerade ein spektakulärer Stunt war, wirst du dich irgendwann schwertun, dich zu erinnern bei welcher Party das war. Einmal abgesehen davon, wem es tatsächlich passiert ist. Und anderen geht es genauso. Nicht nur, dass vermutlich nur ein Teil das Missgeschick überhaupt mitbekommen hat. Da gab es noch all die anderen, viel schöneren Punkte, an die man sich gerne erinnert. Die coole Musik, das sensationelle Steak, die tollen Getränke und generell die Stimmung über den ganzen Abend. Auch hier gilt: Wenn du dich dabei ertappst, nach einem einzigen Missgeschick zu denken, dass alle dich deswegen jetzt „schief ansehen“ oder du jetzt für den Rest deines Lebens in der Firma für den Tollpatsch vom Lande gehalten wirst, dann bist du einem sehr häufigen Muster negativen Denkens auf die Spur gekommen.
6. Mit zweierlei Maß messen
Ich bin sicher, du kennst das: Derselbe Tick, der dir bei dem süßen Kerl am Schlagzeug so gefällt, bringt dich bei deinem Arbeitskollegen zur Weißglut. Je nach Situation, aber manchmal auch je nach Tagesform, ärgern wir uns über Dinge, die uns ansonsten eher weniger beeindrucken oder sogar ganz „reizend“ vorkommen.
Schwierig wird das, wenn du mit dir selbst viel härter ins Gericht gehst, als mit den Menschen um dich herum. Du hast nach Weihnachten ein paar Kilo mehr auf der Waage und schimpfst innerlich mit dir. Du siehst dich im Spiegel an und denkst: „Du hast dich wieder einmal viel zu sehr gehen lassen. Wenn du so weitermachst, bist du in ein paar Jahren fett und krank.“ Zurück im Büro kommt dein Kollege mit einem schiefen Grinsen und einer Brotbox voller Rohkost an und meint, dass sich Weihnachten dieses Mal besonders stark auf der Waage niedergeschlagen habe. Was machst du? Sagst Du ihm, was du dir selbst an den Kopf geworfen hast? Sicherlich nicht! Du wirst ihm sagen, dass man es ja gar nicht sieht, dass sich das ganz schnell wieder gibt oder dass er ja sowieso so viel Sport macht und das eigentlich kein Problem sein dürfte.
Und du glaubst das auch, das sind ja meist nicht nur Höflichkeitsfloskeln. In diesen Fällen wird unser innerer Kritiker zum Perfektionisten. Egal, was andere tun, für uns gelten strengere Maßstäbe. Schlimmer noch, die strengsten sind gerade gut genug. Das ist ausgesprochen schwierig, denn wir richten damit Erwartungen an uns selbst, die wir überhaupt nie erfüllen können. Wir können uns nur selbst enttäuschen. Und die Folge ist: Stress. Und zwar dauernd.
Ich selbst war gerade in diesem Punkt immer besonders „gut“ und habe auch heute noch damit zu kämpfen. Perfektionismus, so habe ich gelernt, entsteht oft ganz früh in der Kindheit und ist schwer in den Griff zu bekommen. Allerdings habe ich auch gelernt, dass hier tatsächlich Selbsterkenntnis der erste Schritt zu einer spürbaren Besserung ist. Ich ertappe mich zwar noch immer bei derartigen inneren Dialogen, glaube aber längst nicht mehr alles, was ich mir da so an den Kopf werfe.
DIE FOLGEN
Fast allen Arten negativen Denkens gemein ist, dass sie uns in Katastrophendenken abgleiten lassen: Wir malen uns die Folgen unserer Fehler, Erlebnisse, Erfahrungen, Mängel etc. in den schlimmsten Farben aus. Egal, ob wir aus einer Mücke einen Elefanten machen, uns wegen eines kleinen Fauxpas beim letzten Turnier nicht mehr in den Tennisclub trauen, noch immer einer verpassten Beförderung hinterhertrauern oder seit einigen Tagen unter rätselhaften Bauchschmerzen leiden. In Gedanken malen wir uns aus, dass uns dieses Mal ganz bestimmt eine Abmahnung droht, im Tennisclub vermutlich schon darauf spekuliert wird, wann wir endlich austreten, es bei dem Gehalt mit unserer Rente ganz schlecht aussehen wird oder dass wir sicherlich an Darmkrebs leiden.
Dahinter versteckt sich eine tiefliegende Angst vor dem Leben, die viele Ursachen haben kann. Das wirklich Gefährliche an diesen Mechanismen sind nicht die Gedanken per se, die schon belastend genug sein können. Unsere Vorstellungskraft hilft uns, diese Szenarien in immer mehr Details und leuchtenden Farben so realistisch zu gestalten, dass sie für unser Gehirn nicht mehr von der Wahrheit zu unterscheiden sind. Es glaubt, uns droht tatsächlich schreckliche Gefahr und es zieht alle Register, uns davor zu bewahren. Der Stress, der daraus resultiert, kann bis zu schwersten Herzproblemen führen.
Wir erschrecken uns mit unseren hausgemachten Visionen also buchstäblich selbst zu Tode. Bei meinen Recherchen bin ich auf einen Fall gestoßen, in dem ein Chefarzt bei der Visite mit den begleitenden Assistenten die Diagnose der Patientin als „einen klassischen Fall von TS“ diskutierte. Der Chefarzt meinte damit die Abkürzung für „Trikuspidalklappenstenose“, eine Herzklappenverengung. Für diese Krankheit wurde sie seit ihrer Kindheit behandelt. Die Patientin jedoch glaubte, dahinter verstecke sich der Begriff „Terminales Stadium“ und sie sei nun nicht mehr zu retten. Beinahe augenblicklich verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, Wasser sammelte sich in ihrer Lunge. Obwohl der von den Assistenten herbeigerufene Chefarzt noch versuchte, den Irrtum aufzuklären, verstarb die Patientin tatsächlich noch am selben Tag.
Wenn du merkst, dass du dir beängstigende Szenarien bei eigentlich ganz normalen Alltagssituationen vorstellst, bist du in einem solchen Katastrophenszenario unterwegs. Frage dich in so einem Fall direkt: „Wer sagt das?“ Gerne auch laut. Und dann stelle dir alternative Szenarien vor. Es wird etwas Übung brauchen, denn die positiven Bilder wollen wir zuerst nicht so recht glauben. Fang am besten mit weniger schlimmen Szenarien an, das geht einfacher. Allgemein gilt aber: Egal wodurch sie ausgelöst wurden, bei solch drastischen Szenarien sitzen wir immer purer Spekulation auf. Niemand kann in die Zukunft sehen.
Statistisch gesehen ist es sogar wahrscheinlicher, dass alles gut ausgeht, sonst würde die Mehrheit aller Pendler ja morgens einen Unfall bauen, jeder in seinem Leben mindestens einmal entlassen werden oder niemand jemals den Menschen fürs Leben kennenlernen. Mark Twain hat das einmal sehr schön formuliert, als er schrieb: „I’ve had a lot of worries in my life, most of which never happened."
Foto von Markus Winkler auf Unsplash
Kommentar schreiben