HABEN WIR SO ETWAS WIE EINEN FREIEN WILLEN?

 

Die klare Antwort lautet: Ja. Und das ist wissenschaftlich belegbar.

 

In einem sehr interessanten Versuch, den Prof. John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience der Berliner Charité durchgeführt hat, wurde genau das nachgewiesen. Er zeigt, dass unser Unterbewusstsein zwar aufgrund von so genannten automatisierten Mustererkennungen die erwartete „Entscheidung“ für uns vorbereitet, wir aber jederzeit diese vorbereitete Entscheidung aktiv ändern können.

 

In dem Experiment sollten Probanden ein einfaches Spiel gegen einen Computer spielen, während gleichzeitig die EEG-Signale (vereinfacht: elektrische Aktivität des Gehirns, gemessen durch Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche) ihres Gehirns gemessen wurde. Die Aufgabe war simpel: Zeigte die Ampel auf dem Bildschirm grün, sollten sie mit dem Fuß eine Taste bedienen, die ein Fahrzeug in dem Spiel in Bewegung setzte. Im ersten Teil des Experiments wurden lediglich die Hirnströme analysiert und der Computer damit gefüttert.

 

Im zweiten Teil des Experiments war der Computer so programmiert, die Ampel sofort auf Rot umzustellen, sobald die Hirnströme der Probanden anzeigten, dass die Fußbewegung („Schalter ein“) unmittelbar bevorstand. Das Ergebnis war überraschend: Die Probanden konnten ausnahmslos die „vorbereitete“ Bewegung noch abbrechen und eine andere Entscheidung treffen.

 

„Unser Experiment zeigt jetzt, dass obwohl das Gehirn eine Entscheidung vorbereitet, wir anscheinend jederzeit in diesen Prozess eingreifen können und eine Entscheidung noch abwenden können, die unser unbewusstes Gehirn für uns gefällt hat“, zog John-Dylan Haynes sein Fazit nach dem Experiment.

 

Doch auch wenn unser Bewusstsein offenbar das letzte Wort behält, gibt es ihn, den Point of No Return: Erfolgte die Ampelumschaltung in dem Experiment weniger als 200 Millisekunden vor der Auslösung des Kommandos im Gehirn, die Taste zu drücken, konnten die Probanden die Bewegung nicht mehr stoppen. Für die Wissenschaftler war das eine positive Überraschung, belegte sie doch, dass wir Menschen sehr viel weniger von unserem Unterbewusstsein gesteuert sind, als bisher angenommen.

 

Dennoch sind die meisten der durchschnittlich 60 000 – 70 000 Gedanken pro Tag unbewusst oder sogar negativ.

 

WAS BEDEUTET DAS NUN KONKRET FÜR UNS?

 

Bevor du jetzt anfängst, dir über ganz alltägliche Dinge unnötig Gedanken zu machen, lass uns noch einen weiteren Blick auf die Zusammenhänge werfen: Das, was wir „Gedanken“ nennen, also das koordinierte Feuern von Impulsen zwischen den Neuronen im Gehirn, passiert bei jedem Menschen rund 60 000 bis 70 000 Mal am Tag (inklusive der Zeit, in der wir schlafen). Davon ist der weitaus größte Teil, nämlich 98 Prozent, unbewusster Natur und beschäftigt sich mit Wiederholungen von Dingen, die wir bereits kennen. Lediglich zwei Prozent beschäftigen sich täglich mit neuem Wissen. Dazu kommt: Der weitaus größte Teil aller Gedanken hat mit neutralen, nebensächlichen Dingen zu tun. 70 Prozent sind es genau genommen. Diese Gedanken helfen uns dabei, die Schuhe zu binden, morgens im Halbschlaf die Kaffeemaschine zu bedienen oder abends nach der Arbeit gedankenverloren den Heimweg zu finden.

 

27 Prozent aller Gedanken sind jedoch tatsächlich negativ - bis hin zu richtiggehend destruktiv. Nur 3 Prozent sind aufbauend und positiv. Normalerweise. Denn genau hier möchte ich ansetzen. Wie das Experiment an der Berliner Charité gezeigt hat, haben wir sehr viel mehr Einfluss auf unser Unterbewusstsein als bisher angenommen. Wir müssen die „Steinzeitprogrammierung“, die zu Zeiten von Mammuts und Säbelzahntigern sinnvoll war, nicht einfach bis ans Ende unserer Tage übernehmen. Wir können aktiv daran arbeiten, wie wir auf Impulse aus unserer Umwelt reagieren. Unsere Gedanken haben einen sehr starken Einfluss darauf, wie wir uns fühlen und sie prägen unser Handeln. Wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten, prägt wiederum unser Bild in der Öffentlichkeit und wie unser Umfeld auf uns reagiert. Und damit, was wir von unserer Umwelt zurückbekommen. Egal ob von Eltern und Schwiegereltern, Kollegen, Chefs oder vom eigenen Lebenspartner. Hier geht es also nicht um eine Art Zauber, durch den auf einmal unser Leben ein ganz anderes wird, nur weil wir ganz fest daran glauben. Nein, unser Denken hat tatsächlich messbar und nachweisbar einen sehr starken Einfluss auf unsere Lebensqualität.

 

Damit zeichnen sich unsere Gedanken vor allem durch zwei besondere Merkmale aus: Bewusstsein und Intentionalität. Unter letzterem versteht man die Eigenschaft unseres Gehirns, erkannten Mustern einen Sinn zu verpassen und Zusammenhänge herzustellen. Als Kind lernen wir zunächst einzelne Worte, die ganz konkrete einzelne Dinge bezeichnen. Mama, Papa, Flasche, Löffel oder Prinzessin Lillifee. Das Zusammenfassen in Kategorien kommt erst viel später. Und noch später das Verständnis abstrakter Zusammenhänge zwischen einzelnen Kategorien: Der Waldi aus der Kindheit ist ein Nachbarshund und/oder Haustier (Kategorien) und potentiell bissig (emotionaler Zusammenhang des Postboten von weiter oben im Kapitel) - oder ein lustiger, kuschliger Spielkamerad.

 

Und hier können wir ansetzen. Unser Gehirn ist in der Lage, diese, im Laufe unseres Lebens erstellten, Kategorien immer wieder neu zu bewerten und ihnen eine neue Bedeutung zuzuweisen. Eine dafür hervorragend geeignete Methode ist The Work nach Byron Katie oder die Tipping - Methode (jeweils verlinkt, einfach auf die Begriffe draufklicken!). 

 

Foto von Caleb George auf Unsplash

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