Als Schemata werden in der Psychologie Muster bezeichnet, die aus Erinnerungen, Emotionen, Kognitionen (fest gewordene Grundannahmen, Denkweisen) und Körperempfindungen hervorgehen. Es handelt sich dabei also um antrainierte Verhaltensweisen oder Gefühle, die immer gleich ablaufen oder in denselben Situationen auftreten und sogar Auswirkungen auf der körperlichen Ebene zeigen können. Je nachdem, um welche Art von Schema es sich handelt, kann es sich auf verschiedenen Ebenen äußern.
Welche Schemata gibt es und woher kommen sie?
Ein „Flashback“, also eine blitzartig auftretende Erinnerung, kann Teil eines Schemas sein, wenn es immer als Reaktion auf ein bestimmtes Verhalten oder Erlebnis auftritt. Wenn dir beispielsweise immer ein Bild aus deiner Erinnerung vor Augen tritt, in dem du als Fahrer/in eines Autos einen Unfall erlebst, sobald du dich hinters Steuer deines Wagens setzt, kann von einem Schema gesprochen werden. Immer, wenn jemand aus deinem Umfeld etwas Bestimmtes sagt oder tut, löst das bei dir ein bestimmtes (negatives) Gefühl aus? Auch hier spricht man von einem Schema, in diesem Fall mit emotionalem (auf deine Gefühle bezogenem) Hintergrund.
Unter den Begriff der kognitiven Schemata (Kognitionen) fallen Denkmuster wie zum Beispiel negative Glaubenssätze („Ich kann das nicht“, „Ich bin nicht gut genug“). Auch körperliche Empfindungen können in Form von Schemata auftreten. Ruft die Vorstellung einer bestimmten Situation (z.B. die bevorstehende Familienfeier) immer wieder eine bestimmte körperliche Reaktion in dir hervor (z.B. Magenprobleme/Schweißausbrüche), kann dies ein Beispiel für eine schematische Körperreaktion sein.
Die bekannten Formen von Schemata können im Positiven (z.B. Schmetterlinge im Bauch vor einem Date), aber eben auch im Negativen auftreten. Hierbei spricht man dann von maladaptiven Schemata, also solchen, die unangemessen und der Situation schlecht angepasst sind sowie dich in deinem Verhalten beeinträchtigen. Maladaptive Schemata können beispielsweise Gefühle von Abgetrenntheit (du fühlst dich nicht „eins“ mit dir und/oder deinem Umfeld) und Ablehnung, Beeinträchtigungen von Autonomie (Selbstbestimmtheit) und Leistung, Beeinträchtigung im Umgang mit Grenzen (du überschreitest Grenzen oder andere überschreiten deine), übertriebene Wachsamkeit und Gehemmtheit hervorrufen.
Wenn Betroffene von dem Gefühl der Wertlosigkeit ergriffen werden und sie sich unbedeutend fühlen, spricht man auch vom Entzug von Emotionen. Dieser tritt vor allem bei Menschen zutage, deren Gefühle und Bedürfnisse insbesondere im Kindesalter nicht genügend Beachtung erhalten haben. Vernachlässigung im Kindesalter kann auch dazu führen, dass betroffene Menschen sich schnell im Stich gelassen fühlen oder befürchten, verlassen zu werden.
Wenn das Vertrauen eines Kindes in erheblichem Maße verletzt wurde (zum Beispiel durch Missbrauch oder emotionale Verletzung), fällt es diesem tendenziell auch im Heranwachsen oder im Erwachsenenalter bedeutend schwerer, Vertrauen aufzubauen. Auch reißt hier das schmale Band des Vertrauens sehr schnell ein. Häufig von Gefühlen betroffen, nicht Teil der Gesellschaft oder Gemeinschaft zu sein, sind Menschen, die in Randgruppen der Gesellschaft aufgewachsen sind. Aber auch, wenn man das System, unter dem die Gesellschaft steht, stark anzweifelt und dem Leben in diesem System keinen Sinn entnehmen kann oder möchte, fühlen Betroffene sich häufig „fremd im eigenen Land“ oder wie „Aliens“.
Werden Kinder starker Demütigung oder Liebesentzug ausgesetzt, führt das dazu, dass sie sich auch später schnell als ungewollt, inakzeptabel, schuldig oder nicht liebenswert empfinden. Kinder, die in einem sehr strengen, kalten Elternhaus aufgewachsen sind und wenig Lob und Liebe erfahren haben, neigen dazu, Gefühle der Wertlosigkeit und Unattraktivität zu entwickeln. Auch hoher Leistungsdruck kann hier die Ursache sein. Ebenso kann dieser, wie auch mangelnde Förderung und Ermutigung, dazu führen, dass Betroffene von sich selbst denken, sie schafften nie irgendetwas, könnten nichts richtig machen und alle anderen (insbesondere Geschwister) machten sowieso alles besser als sie.
Mangelnde Entscheidungsfähigkeit und Heteronomie, also die Abhängigkeit von anderen in allen Lebensbereichen, trifft insbesondere Menschen, die unter dem Einfluss übertrieben beschützender oder besorgter Eltern standen und nicht die Möglichkeit erhalten haben, ihre eigenen Grenzen auszutesten und über sich hinauszuwachsen. Fehlender Mut und fehlendes Selbstvertrauen (fehlendes Bewusstsein eines „Selbst“) sowie eine übertriebene Angst vor Gefahren, wie etwa Krankheiten, Verletzungen oder (Natur-)Katastrophen, spielen hier ebenfalls eine entscheidende Rolle. Kinder, die ständig verwöhnt wurden und keinerlei Regeln inklusive Konsequenzen bei Nichtbeachtung auferlegt bekamen, können auch im späteren Verlauf ihres Lebens dazu neigen, anzunehmen, allgemeingültige Regeln würden für sie nicht gelten und sie stünden damit in ihrer Bedeutung über anderen. Solche Menschen haben häufig sehr hohe Ansprüche, sowohl an sich selbst als auch (und insbesondere) an ihr Umfeld.
Extrem anspruchsvolle und ehrgeizige Menschen, die dazu neigen, sich selbst unter Druck zu setzen, wurden in ihrer Kindheit häufig nur mit Zuwendung oder Anerkennung bedacht, wenn sie gute oder gar außergewöhnliche Leistungen (Schule, Sportverein etc.) erbracht haben. Ein erhöhtes Verlangen nach Anerkennung haben auch Menschen, deren Eltern ihnen gegenüber früher kein konstantes und konsequentes Verhalten gezeigt haben. Sie wussten nie genau, wie sie von ihren Eltern Beachtung und Wertschätzung erhalten konnten, daher probieren sie alles Mögliche aus. Betroffene neigen hier häufig dazu, Äußerlichkeiten und Statussymbole zu verwenden, um die gewünschte Anerkennung (nicht nur von den Eltern) zu erhalten.
Der Ursprung für vermindertes Durchhaltevermögen, wenig Disziplin und eine niedrige Frustrationstoleranzschwelle liegt ebenfalls im Elternhaus begründet. Wenn Eltern einem Kind solches Verhalten vorleben oder ihrem Kind keine Disziplin beibringen, wird das Kind es später schwer haben, sich diese Eigenschaften selbst anzueignen. Sich ständig unterordnende Persönlichkeiten, die die eigenen Ansprüche für weniger wichtig erachten als die der anderen, legen sehr viel Wert darauf, anderen zu gefallen und vermeiden es um jeden Preis, jemanden zu verärgern. Ein sehr strenges Elternhaus liegt hier oft zugrunde, in dem Widerspruch verurteilt oder sogar bestraft wurde. Ebenfalls die eigenen Ansprüche hinter denen der anderen zurück stellen Menschen, die stets das Gefühl haben, sich um andere kümmern zu müssen oder ihnen verpflichtet zu sein. Der Grund hierfür kann ein schwaches (etwa ständig zerstrittenes oder psychisch instabiles) Elternhaus sein, Betroffene mussten sich häufig schon sehr früh um Geschwister oder sogar die eigenen Eltern kümmern.
Wenn die Eltern eines Kindes ihre Gefühle nicht zeigen und emotionale Regungen ihres Kindes klein geredet oder gar bestraft haben („Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“), führt das dazu, dass diese Kinder im späteren Leben Schwierigkeiten haben, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen oder sie überhaupt klar zu benennen. Auch Verhaltensweisen wie Pessimismus oder das Fokussieren auf die negativen Aspekte aller Dinge können durchs Elternhaus erlernt werden. Kinder besonders ängstlicher Eltern neigen häufig selbst dazu, mit Angst vor Enttäuschung und Fehlern an Dinge heranzugehen („negatives Mindset“).
Eltern, die bei Fehlverhalten oder auch kleinen Missgeschicken ihrer Kinder schnell mit einer Strafe zur Hand waren, übertragen diese Gewohnheit auf ihre Nachkommen. Diese fordern dann später auch selbst konsequent Strafen für sich selbst und andere ein.
Wie du siehst, hat dein Elternhaus erheblichen Einfluss auf deine Entwicklung von Beginn an und bis ins Erwachsenenalter. Niemand ist fehlerfrei, wir sind alle nur Menschen – und Eltern stehen unter dem besonderen Druck, ihrem Kind das bestmögliche Leben zu bieten und können ihm gleichermaßen nur beibringen, was sie selbst von klein auf gelernt haben. Wenn allerdings mit schwerem Missverhalten (ob nun bewusst oder unbewusst) einem Kind gegenüber dessen Entwicklung maßgeblich und nachhaltig negativ beeinflusst wird, kann dies eben zu jenen maladaptiven Schemata führen, die ich beschrieben habe. Je nach Ausprägung kann es sein, dass Betroffene sich mit ihren Verhaltensmustern arrangieren und trotzdem ein erfülltes Leben führen können. Doch je weitreichender die Lebensfallen, desto schwerer fällt es Betroffenen, damit zu leben. Das kann so weit führen, dass du in deinem gesamten alltäglichen Leben negativ beeinflusst wirst. Simple Handlungen (wie etwa Autofahren) können dich vor eine echte Herausforderung stellen oder sich sogar unmöglich anfühlen.
Wann wird ein Schema zum Problem?
Wenn deine Verhaltensmuster sich in einem „normalen“ Rahmen bewegen und du durch sie keine negativen Entwicklungen oder Einschränkungen in deinem Denken, Fühlen und Handeln erlebst, gibt es keinen Grund für dich, sie unbedingt zu ändern oder hinsichtlich ihrer Beseitigung an dir zu arbeiten. „Schmetterlinge im Bauch“ vor einem Date können ja sogar etwas Schönes sein! Und deine Angewohnheit, immer einmal mehr zu überprüfen, ob der Herd aus und die Tür fest verschlossen ist, bevor du die Wohnung verlässt, ist auch erst einmal nichts Schlimmes; sie kann höchstens von deinem Umfeld als kleine Macke wahrgenommen werden, für die du dich aber keinesfalls rechtfertigen musst. Sobald du allerdings das Gefühl hast, deine Verhaltensmuster entwickeln sich in eine Richtung, die dir oder deinem Umfeld schadet, dich in deinem Alltag einschränkt und sich schlicht nicht gut für dich anfühlt, kannst du den Weg gehen, sie zu bearbeiten und soweit zu verändern, dass sie dich zumindest weniger und im Bestfall gar nicht mehr negativ beeinflussen.
Mit viel Geduld, Achtsamkeit und dem starken Willen, an dir selbst zu arbeiten, können Schemata komplett aufgelöst oder in positive Muster gewandelt werden. Wenn du dies vollkommen allein schaffst, meine Hochachtung! Es bedarf wirklich großer Disziplin, Reflexion und enormer Willenskraft, dies ganz allein zu bewerkstelligen. Oft genügt es auch schon, ein Schema so weit zu verändern und an dein Leben und dein Dasein anzupassen, dass es keinen negativen Einfluss mehr übt.
Um das letztgenannte Beispiel aufzugreifen: Gehörst du zu den Menschen, die vor dem Verlassen der Wohnung alles doppelt und dreifach kontrollieren müssen (Herd aus, Heizung aus, Tür zu usw.), kann dich das unter Umständen eine Menge Zeit kosten und somit deinen Alltag bestimmen. Hier kann es jedoch ausreichend sein, dein Verhalten so weit anzupassen, dass du dich bei deinem Kontrollgang durch die Wohnung auf das Wichtigste reduzierst, diese Kontrolle auch nur jeweils einmal durchführst und dich danach trotzdem sicher damit fühlst, deine Wohnung allein zu lassen. Auch die Anpassung deiner Muster kostet Mühe und Energie.
Doch egal, inwieweit du für dich entscheidest, deine Muster bearbeiten und an dein Leben anpassen zu wollen: Du musst dich keineswegs allein auf diese Reise begeben. Mithilfe einer Schematherapie kannst du den Ursprüngen für deine negativen Verhaltensmuster auf den Grund gehen, dich selbst besser kennenlernen und dir bewusst werden über dich belastende Verhaltensmuster. Unter METHODEN findest Du wie gewohnt hilfreiche therapeutische oder Coaching Ansätze, die Dir weiterhelfen!
Foto von Deniz Altindas auf Unsplash
Kommentar schreiben