Wenn wir im Rahmen unserer Persönlichkeitsentwicklung Übungen und Meditationen praktizieren, sollten wir zur Erweiterung und Vertiefung etwa ein bis zwei Übungstage pro Monat oder Quartal einlegen. Erfahrungsgemäß intensiviert diese Umsetzung unsere Praxis um ein Vielfaches. Es wirkt wie ein selbst durchgeführtes Intensivtraining zur regelmäßigen Vertiefung des bislang Erreichten.
Einen Übungstag einzulegen bedeutet, dass wir einen speziellen Tag ganz für uns selbst nutzen, um zu praktizieren. Es kann natürlich noch bereichernder sein, wenn wir diesen Tag in der Gemeinschaft verbringen.
Wenn wir damit beginnen, ist es sicher hilfreich, einen festen Rhythmus einzuhalten, zum Beispiel jeden ersten oder jeden ersten und dritten Sonntag im Monat oder auch jeden anderen passenden Tag dafür zu bestimmen. Dieser Tag sollte einem festgelegten Ablauf und den zehn Regeln folgen. Diese Regeln werden im Anschluss vorgestellt. Eine solche feste Regelung basiert auf den zahlreichen vorliegenden Erfahrungen, von denen wir profitieren können. Außerdem helfen diese Regeln uns, den Tag möglichst klar und einfach zu gestalten, zum Beispiel ohne lästige Überlegungen und inneres Hadern darüber, was zu tun und zu lassen sei.
Der möglichst ungestörte Ablauf dieses Tages bedarf einiger kleiner Vorbereitungen: Die Räumlichkeiten sollten schon vorher ausreichend aufgeräumt und gereinigt werden. Wir sorgen dafür, dass wir möglichst wenig Ablenkung erfahren. So stellen wir den ganzen Tag über das Telefon und das Handy aus oder auf eine lautlose Anrufbeantworter- oder Mailboxfunktion um.
Weiterhin haben sich die folgenden zehn Regeln als besonders hilfreich bei der Durchführung gezeigt:
Die zehn Regeln für den Übungstag
- Nicht töten, Tiere eingeschlossen, daher eine vegetarische oder vegane Kost
- Nicht stehlen, nichts einfordern, Nicht-Gegebenes nicht nehmen
- Keine sexuellen Aktivitäten
- Nicht lügen, keine groben, lauten Reden oder verbale Angriffe. Wir bemühen uns bewusst um einen respektvollen und gewaltfreien Umgang, auch verbal.
- Kein Alkohol oder keine anderen Drogen und Substanzen, die den Geist trüben
- Den Körper morgens reinigen, sich nicht schminken und keinen Schmuck tragen
- Keine Medien nutzen, wie zum Beispiel Fernsehen, Internet, Zeitungen, Bücher, Telefon, Handys
- Maßvolles Essen, schweigend in Stille genießen
- Gemäßigte, achtsame Bewegungen, kein Sport, keine Arbeiten
- Stille Sitz- und Gehmeditationen
Vielleicht entsteht jetzt die Frage, was da denn eigentlich noch übrigbleibt? Genau diese Fragestellung ist sehr wünschenswert und eröffnet womöglich schon lange nicht mehr genutzte Optionen.
Es geht nicht darum, Entsagung zu üben, sondern Ballast abzuwerfen
Der zentrale Aspekt bei diesen Regeln bezieht sich darauf, dass viele von uns durch eine äußere Strukturierung auch eine innere Strukturierung erfahren. Des Weiteren werden hier altbewährte Erfahrungen vermittelt, die durch unsere eigenständige Prüfung nachvollzogen werden können. So kann es möglich sein, dass wir bereits bestehende heilsame Erfahrungen und hilfreiche Regelungen nicht nur am Übungstag praktizieren, sondern auch auf unseren gesamten Alltag übertragen können.
Vielleicht hören sich einige Regeln auf den ersten Blick nach Entsagung an. Wenn wir diese Erfahrungen jedoch zulassen, können wir selbst merken, dass wir nicht noch mehr äußere Zwänge erleben, sondern spürbar mehr Freiheit. Matthieu Ricard betont, dass Entsagung nicht bedeutet, auf etwas zu verzichten, was im Leben wirklich gut und nützlich ist, sondern dass wir überflüssigen Ballast abwerfen. Ansonsten sollten sich diese zehn Regeln eigentlich selbst erklären.
Natürlich können wir auch für uns passende Aspekte hinzufügen oder anderes etwas abschwächen. So erfordert die zehnte Regel eine vorherige Festlegung: Wie lange und wie oft soll meditiert werden? Wenn wir noch nicht viel Meditationserfahrung haben, sollten wir lieber kurze Meditationen durchführen, zum Beispiel jeweils etwa 10 bis 20 Minuten, und diese dann im Laufe des Tages zu festen Zeiten wiederholen. So können wir den Tag in Ruhe verbringen mit Sitz- und Gehmeditationen, Spaziergängen, der achtsamen Zubereitung unserer Speisen und dem achtsamen Austausch mit anderen. Das tragende Element des Tages sollte die Stille sein.
Dieser Tagesablauf ist sicherlich für viele von uns recht ungewohnt und stellt auch eine Herausforderung dar. Vielleicht können wir es erst einmal als eine Art Experiment ansehen: Wir lassen uns auf diese bewährte Methode ein und beobachten kritisch, welche eigenen Erfahrungen sich dabei einstellen.
Photo by Ale Romo on Unsplash
Kommentar schreiben