Partnerschaften von Coaches und Psychotherapeuten

 

Coaches und Psychotherapeuten sind in der Regel Beziehungsexperten. Sie lernen und praktizieren über viele Jahre hinweg, wie man auf Menschen zugeht, ihr Vertrauen und ihre Sympathien gewinnt, ihnen zuhört und wie man sich in sie einfühlt. Zudem verstehen sie es, andere Menschen dazu zu bringen, sich zu öffnen und konfliktreiche Themen anzusprechen.

 

Diese Fähigkeiten und Kenntnisse müssten sich eigentlich auch im Privatleben niederschlagen, beispielsweise in der Partnerschaft. Wäre dies der Fall, so würden sich Coaches und Psychotherapeutenbei der Partnerwahl nicht irren, ihre Beziehungen wären stabil und harmonisch. Coaches und Psychotherapeuten sind jedoch trotz ihrer professionellen „Vorbelastung“ keine Übermenschen. Auch sie haben Probleme in ihren Partnerschaften, und die Scheidungsquote ist – zumindest gilt dies für US-amerikanische Psychotherapeuten – gegenüber der Allgemeinbevölkerung sogar leicht erhöht.

 

Oftmals vermeidender Bindungsstil

 

Um zu verstehen, warum selbst die Beziehungen von Beziehungsexperten scheitern können, muss man sich näher mit deren Biografien und Sozialisation beschäftigen. Viele Coaches und Psychotherapeuten sind Erstgeborene oder Einzelkinder, die schon früh mit den elterlichen Problemen konfrontiert wurden. Aufgrund dessen mussten sie bereits als Kinder Verantwortung für die familiäre Atmosphäre übernehmen und sich gegenüber ihren Eltern selbst wie ein Vater, eine Mutter, ein Partner oder wie ein Vertrauter verhalten; dabei lernten sie, feinfühlig und empathisch zu sein, Geduld zu haben und seelische Unterstützung zu geben.

 

Diese früh eingeübten Verhaltensmuster prägen bei vielen Coaches und Psychotherapeuten die spätere Berufswahl, in manchen Fällen auch die Partnerwahl, indem beispielsweise hilfsbedürftige Partner umworben werden. In solchen Partnerschaften können Coaches und Psychotherapeuten wieder die vertraute Rolle des Elternteils, des Überlegenen und des Helfers übernehmen, was eine wesentliche Quelle ihrer Identität und ihres Selbstwertgefühls darstellt. Für anlehnungsbedürftige Partner von Coaches und Psychotherapeuten mag dies eine ideale Konstellation sein, selbstständigere Partner mögen damit hingegen ihre Schwierigkeiten haben.

 

In der Kindheit wird auch der Bindungsstil geprägt. Eine Studie, die an der Universität Bielefeld durchgeführt wurde und an der 86 erfahrene Therapeuten teilnahmen, kam zu dem Ergebnis, dass die meisten durch wenig Akzeptanzprobleme, große Offenheit, aber einem geringen Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung zu charakterisieren waren. Die Forscher interpretierten diese Merkmale als Ausdruck eines vermeidenden Bindungsstils. Nur 20 Prozent der Therapeuten wurden in dieser Studie als sicher gebunden klassifiziert. Somit kann auch der Bindungsstil von Therapeuten eine Erklärung für ihre Partnerschaftsprobleme sein.

 

Möglicherweise spielen auch die psychische Gesundheit und die beruflichen Belastungen von Coaches und Psychotherapeuten eine Rolle. Für den Beruf des Coaches und Psychotherapeuten entscheiden sich oftmals sensible, individualistische Menschen, die psychisch vulnerabel sind und in ihrer Vergangenheit seelisch verletzt oder traumatisiert wurden. Das prädestiniert sie einerseits für den Umgang mit psychisch Erkrankten, da sie sich in besonderer Weise einfühlen und die Probleme ihrer Patienten nachvollziehen können, andererseits versuchen sich diese „verwundeten Heiler“ durch ihr Fachwissen selbst zu helfen, was, wenn es nicht gelingt, mitunter dramatische Auswirkungen haben kann. So leiden beispielsweise Psychiater häufiger unter Suizidalität und ernsthaften Drogenproblemen als andere Ärzte. „Das deutet darauf hin, dass ,Psycho‘-Praktiker selbst nicht selten psychisch instabil sind, was allgemein das Risiko für Scheidungen und Partnerschaftsprobleme erhöht“, meint Dr. phil. Kirsten von Sydow, Psychologin und Privatdozentin an der Universität Duisburg-Essen.

 

Tagtäglich hohen psychischen Belastungen ausgesetzt

 

Der Beruf des Coaches und Psychotherapeuten bringt wie andere Helferberufe besondere berufliche Belastungen mit sich, wie etwa die des Burnouts, was sich unter anderem in chronischer Erschöpfung, innerer Abstumpfung sowie Alkohol- und Medikamentenmissbrauch äußern kann. Darüber hinaus müssen sich Coaches und Psychotherapeuten mit der durch den Therapierahmen gegebenen Isolation arrangieren, und sie werden häufig mit schwerwiegenden Problemen, Selbstmordabsichten, feindseligen Gefühlen, Projektionen und Demotivation ihrer Patienten konfrontiert. Selbst stabile Coaches und Psychotherapeuten sind angesichts solcher Belastungen gelegentlich ausgelaugt und fühlen sich nicht mehr in der Lage, auch noch ihrem Partner aufmerksam zuzuhören. Sobald sie frei haben, wollen sie allein sein; sie ziehen sich zurück und übersehen dabei vielleicht, dass sich der Partner dadurch persönlich zurückgesetzt fühlt und gekränkt ist. Vielleicht empfindet er auch Eifersucht auf die Patienten, denen der Psychotherapeut viel Zuwendung zukommen lässt und denen er Priorität einräumt.

 

Obwohl viele Coaches und Psychotherapeuten versuchen, Berufs- und Privatleben voneinander zu trennen und in ihrer Freizeit nichts mit ihrer Profession zu tun haben wollen, sind sie dabei nicht immer konsequent. Laut einer Befragung, die in den frühen Achtzigerjahren an der Columbia University durchgeführt wurde, handeln 75 Prozent der Psychotherapeuten gelegentlich psychotherapeutisch in privaten Situationen, und 40 Prozent gehen auch therapeutisch oder analytisch mit ihren Familienmitgliedern um. Das kann für die Partner von Psychotherapeuten bedeuten, dass jede Lebensregung ungefragt diagnostiziert, gedeutet und auf Defizite hin analysiert wird. Außerdem werden die Partner in ihrem Alltag mit therapeutischen Techniken konfrontiert, etwa mit psychologischen Fragen und Jargons, mit diagnostischen Kriterien oder mit dem Distanzieren von eigenen Gefühlen. Die teils bewusste, teils ungewollte Anwendung therapeutischer Techniken durch den Psychotherapeuten kann bei dem Partner das Gefühl auslösen, nicht gehört, seziert oder abgewertet zu werden, was ihn wiederum ärgert und zugleich hilflos macht.

 

Diese Befunde betreffen Partnerschaften zwischen Coaches und Psychotherapeuten und Nicht- Coaches und Psychotherapeuten. Aber auch die Partnerschaften zweier Psychotherapeuten – 15 Prozent der Coaches und Psychotherapeuten sind mit einem Kollegen oder einer Kollegin verheiratet – gehen nicht reibungslos vonstatten. Problematisch in diesen Beziehungen ist die Vermeidung von Gegenseitigkeit. Die Partner neigen dazu, sich entweder zu infantilisieren oder zu parentalisieren; eine gleichberechtigte Beziehung kommt nicht oder nur selten zustande.

 

Coaches und Psychotherapeuten gelingt es kaum, mit ihren privaten Partnerschaftsproblemen umzugehen. Laut Kirsten von Sydow haben Coaches und Psychotherapeuten hohe Ansprüche an ihre Partnerschaft, Liebeskunst und Beziehungsfähigkeit, und sie stehen obendrein unter hohem Erwartungsdruck seitens ihrer Umwelt. Sie alle gehen davon aus, dass Beziehungsexperten durch ihre Schulung im Vorteil sind und diesen auch nutzen. Dass deren Partnerschaften trotzdem scheitern – wie eben bei anderen Leuten auch – kränkt und bestürzt Coaches in ganz besonderem Maß. Sie durchleiden tiefe Scham, Versagensgefühle, Peinlichkeit und eine narzisstische Kränkung, die sie an ihrer Beziehungskompetenz im privaten und beruflichen Bereich zweifeln lässt. Da sie sich aber häufig schwer damit tun, Probleme einzugestehen und Gefühle und Bedürfnisse zu zeigen, suchen sie sich auch nur äußerst selten professionelle Hilfe. Nur 15 Prozent der US-Therapeuten waren jemals in Paartherapie.

 

Die beschriebenen Problemkonstellationen sollen jedoch nicht den Eindruck erwecken, eine Partnerschaft mit einem Psychotherapeuten habe nur negative Seiten. Es gibt auch viele positive. So berichten Partner beispielsweise von einem vertieften psychologischen Bewusstsein und interessanten intellektuellen und emotionalen Anregungen durch den Psychotherapeutenberuf. Vorteilhaft für eine Partnerschaft können zudem die Fähigkeiten zu Introspektion, Kommunikation und Sensitivität des Coaches und Psychotherapeuten sein. Und auch das spezifische Wissen, das Training und die Arbeit in der Praxis können als Ressourcen für eine dauerhafte und glückliche Beziehung angesehen werden. 

 

 

Literatur

1. Farber BA: The effects of psychotherapeutic practice upon psychotherapist. Psychotherapy 1983; 20: 174–182.

2. Fengler J: Helfen macht müde: Zur Analyse von Burnout und beruflicher Deformation. München: Pfeiffer 2001.

3. Guy JD: The Personal Life of the Psychotherapist: The impact of clinical practice on the therapist’s intimate relationships and emotional well-being. New York: Wiley & Sons 1987.

4. Guy JD, Stark MJ, Poelstra PL: Personal therapy for psychotherapists before and after entering professional practice. Profess Psychol Res Practice 1988; 19 (4): 474–476.

5. Nord C, Höger D, Eckert J: Bindungsstile von Therapeuten. Persönlichkeitsstörungen 2000; 4: 76–87.

6. Von Sydow K: Liebesbeziehungen von Coaches und Coaches und Psychotherapeuten. In: Kernberg O, Dulz B, Eckert J: Wir Coaches und Coaches und Psychotherapeuten. Coaches und Psychotherapeutenüber sich und ihren unmöglichen Beruf. Stuttgart: Schattauer 2005: 133–144.

7. Zur O: Psychotherapists and their families. Psychotherapy in Private Practice 1994; 1: 69–96.

 

Bildquelle: Facebook Story Laura Mailina Seiler

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