Ich habe meine Großeltern mütterlicherseits sehr geliebt (väterlicherseits auch, aber ich habe sie erst mit 18 kennen gelernt). Bis zum Tod meiner Großmutter waren sie verheiratet und hatten zwei Kinder, meine Mutter und ihren um 17 Jahre älteren Bruder.
Meine Großmutter hat mir eine wunderbare Kindheit geschenkt, aber ihrem eigenen Mann gegenüber war sie in tiefer Verachtung und fast vollkommener Ablehnung verbunden. Es geht jetzt nicht darum, die Gründe herauszufinden; viel interessanter ist die Tatsache, dass sie bis zu ihrem Tod bei ihm blieb, obwohl auch sein Verhalten ihr gegenüber alles andere als liebevoll-wertschätzend war.
Ich wage es nicht zu beurteilen, was für die beiden gut und was schlecht war oder gewesen wäre. Fakt ist, dass nach dem Tod seiner Frau mein Großvater bei aller Trauer erst anfing so richtig wahrnehmbar zu leben: Er begann regelmäßig Tennis zu spielen, verreiste einmal jährlich auf die Kanarischen Inseln, gönnte sich selbst etwas und erstmals in seinem Leben auch anderen (er wurde regelrecht großzügig) und war deutlich ausgeglichener und glücklicher als zu den Lebzeiten seiner Frau, unter deren überwiegend kritischem Blick er keinen Bestand hatte.
In der psychologischen Literatur sind solche Beziehungen durchaus bekannt. Wir nennen sie – bitte nicht umgangssprachlich verstehen! – sadistisch / masochistisch, wobei beide Rollen wechselseitig auftreten: Keiner der beiden Beteiligten ist nur sadistisch oder masochistisch. Aus dieser Konstellation gewinnen beide eine Art tiefer Lust, die das innere Denken über sich selbst und den anderen bzw. das Geschlecht des anderen jeweils bestätigt: Männer sind…, Frauen sind…, ich selbst bin…, mir kann nichts anderes / besseres passieren. Ich bleibe letztlich Opfer des anderen, bin also der „Gute“, der unter der „Schlechtigkeit“ des anderen leidet und somit frei wird von jeder (Selbst-)Verantwortung. Mir bleiben Handeln und Konsequenz erspart und ich habe tausend Gründe, warum ich nicht handeln KANN.
Dass damit jedes Glück, jede Weiterentwicklung unmöglich wird brauche ich hier nicht eigens zu erwähnen. Erstaunlich ist, dass sich dieses Verhalten förmlich „einbrennen“ kann und das eigene Denken im negativen Sinne transformiert. Auch das ist ein dynamischer Prozess und so wie sich positives Denken auf unser Gehirn und seine Strukturen genauso auswirkt wie auf unsere Erbanlagen (unsere Gefühle – auch Produkte unseres Denkens – schreiben sich in die eigene DNA ein) so tut das eben auch negatives Denken und fortgesetzt negative Gefühle, die ich mir im weiteren Verlauf wie ein Süchtiger stets selbst verschaffe.
Wie genau steige ich aus diesem Teufelskreislauf nun aus? Wie erkenne ich, wann ich gehen sollte?
Wenn Du Dich in einer ähnlichen Situation befindest (nicht glücklich machende oder erfüllte Beziehung) darfst Du Dich zuerst einmal mit Dir selbst beschäftigen. Jetzt bist DU ganz vorne auf Deiner eigenen ToDo – Liste! Weg mit Deiner Aufmerksamkeit vom Partner, ganz hin zu Dir. In diesem Buch findest Du genug Ansatzpunkte; wichtig ist, dass Du ANFÄNGST. Jetzt. Heute noch. Sofort!
Welche Bereiche darfst Du im ersten Schritt anfassen?
• Sexualität. Bitte erst mal weg. Notfalls ab sofort eigener Schlafbereich.
• Sport. Fang an mit etwas, was Dir Spaß macht.
• Freunde. Ich hoffe, Du hast welche. Wenn nicht: Suchen! Und keine Ausrede jetzt bitte.
• Bewusstsein. Fang an zu meditieren. Mindestens 7 Minuten täglich. Nach oben gibt es keine Grenze.
• Hör auf Deinen Partner zu beschuldigen. Er ist NICHT für DEIN Leben verantwortlich!
• Persönlichkeitsentwicklung. Lese erst mal nur Bücher, die Dich weiterbringen. Buche Dein (vielleicht erstes?) Seminar.
• Beruf. Such Dir was, was Dich wirklich erfüllt. Du musst es nicht gleich und sofort haben – es reicht vollkommen, wenn Du Dich JETZT schon mal auf die Suche machst.
• Kurz: Leb Dein eigenes Leben, nicht das Deines Partners. Noch nicht mal mehr ein / Euer gemeinsames Leben.
So. In gewissen Situationen darfst Du aber auch sofort gehen. Nein, Du musst:
• Wenn Gewalt – psychisch oder physisch – vorkommt.
• Wenn Dein Partner ein Suchtproblem hat und sich nicht SOFORT in therapeutische Behandlung begeben will. Bitte weg, DU kannst ihn davon nicht abbringen, sondern stabilisierst durch Eure Beziehung seine Sucht eher noch.
• Wenn Du erkennst, dass Dein Partner narzisstisch ist, eine schwerere bipolare affektive Störung oder ein Borderline Syndrom hat: RENN!
• Wenn Dein Partner eine symbiotische Beziehung zu seinen Eltern und / oder Kindern hat.
Ansonsten: Feel free! Aber bitte geh nicht zu früh. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als ob Du den anderen „nicht mehr liebst“ kann das ein Trick Deines EGOs sein, das ohnehin immer die Absicht der Trennung / Absonderung / Scheidung etc. verfolgt. Und gerade bei wichtigen Schritten in Deiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung, wenn Deine Partnerschaft Dich förmlich dazu auffordert, WEITER zu gehen, mag das EGO lieber schnell wegrennen. Denn es weiß: Es wird durch jede Entwicklung Deiner Persönlichkeit kleiner. Das will es verhindern. Um jeden Preis…
Photo by Sven Mieke on Unsplash
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