Trennungsjahr: Neustart oder zurück zur alten Liebe?

 

Nicht Wenige halten das Trennungsjahr für ein antiquiertes Relikt aus einer Zeit, in der die meisten Menschen fromm gelebt und an eine Ehe bis zum Tod geglaubt haben. Ist das verpflichtende Trennungsjahr nach einer Ehe in einer säkularisierten Welt noch zeitgemäß?

 

Bei aller berechtigter Kritik gilt jedoch: Das Trennungsjahr ist nach aktueller Gesetzeslage nahezu unausweichlich für alle Ehegatten, die sich voneinander scheiden lassen möchten. Gleichzeitig eröffnet das Trennungsjahr die Möglichkeit zur Selbstreflexion. In dieser Zeit bemerken viele Ehegatten, ob die Trennung der richtige oder vielleicht doch ein überhasteter Schritt war. Nach Ende des Trennungsjahres haben Ehegatten in der Regel Gewissheit darüber, ob sie doch mit ihrer alten Liebe verheiratet bleiben wollen, oder bereit für einen Neustart, eventuell sogar mit einem neuen Partner, sind.

 

Aus rechtlicher Sicht gilt zu beachten, dass das Trennungsjahr eine rechtliche Konstruktion ist, bei der die Ehegatten gewisse Regeln befolgen müssen. Denn das Trennungsjahr ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass ein Richter Ehegatten voneinander scheiden kann. Wie wirken sich also Versöhnungsversuche mit der alten Liebe und die Annahme eines neuen Partners auf die rechtliche Dimension des Trennungsjahres aus?

 

Option 1 im Trennungsjahr: Zurück zur alten Liebe

 

Rechtlich betrachtet ist streng zwischen den Begriffen Trennung und Scheidung zu unterscheiden. Trennung bezeichnet den tatsächlichen Zustand, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Dieser Zustand folgt auf die Ehezeit, die mit der Eheschließung beginnt. Wenn sich die Ehegatten im Laufe ihrer Ehezeit auseinanderleben oder wegen eines oder mehrerer schwerwiegender Ereignisse in Streit geraten, beschließen sie die Trennung voneinander. In der Regel erfolgt im realen Leben eine Trennung im räumlichen Sinne, indem ein Ehegatte aus der gemeinsamen Wohnung auszieht. Die Ehegatten beziehen dann unterschiedliche Wohnungen und sorgen getrennt für ihren jeweiligen Lebensunterhalt.

 

Im räumlichen Sinne anders, juristisch allerdings genauso wie oben einzuschätzen ist die Situation, dass die Ehegatten sich innerhalb ihrer gemeinsamen Wohnung voneinander trennen. Mit anderen Worten: Ob ein Ehegatte in Berlin und der andere in München oder ob beide weiterhin in der Komödienstraße 15 in Köln wohnen, macht aus rechtlicher Sicht unter bestimmten Bedingungen keinen Unterschied. Allein schon aufgrund der begrenzten Räumlichkeiten handelt es sich hierbei jedoch um die kompliziertere Fallkonstellation. Wenn sich nämlich Ehegatten dafür entscheiden, in der gemeinsamen Wohnung zu bleiben, müssen sie einige Regeln beachten. Das kann zum einen hilfreich sein, wenn die Ehegatten sich nicht gegenseitig treffen möchten. Es kann das Zusammenleben jedoch zusätzlich verkomplizieren. Denn die Ehegatten dürfen nicht wie zuvor Versorgungsleistungen füreinander erbringen, schließlich haben sie die eheliche Lebensgemeinschaft aufgegeben. Das heißt, jeder muss für sich einkaufen gehen und die eigene Wäsche selbst waschen. Mahlzeiten müssen getrennt voneinander eingenommen werden. Wichtig zu wissen ist auch, dass Ehegatten keine Versorgungsleistungen einander erbringen dürfen, nur um ihren möglicherweise vorhandenen Kindern eine nach wie vor funktionierende Ehe vorzuspielen. Allerdings dürfen Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Ofen und Kühlschrank, die nur unter größtem Aufwand zweimal in einer Wohnung zu installieren wären, von beiden Ehegatten weiterhin benutzt werden. Dasselbe gilt für Küche und Badezimmer.

 

Die oben beschriebenen, im Rahmen des Zusammenlebens in der Ehewohnung zugegeben durchaus strengen Regeln, gelten selbstverständlich nur für den Fall, dass die Ehegatten das Trennungsjahr durchziehen wollen. Das getrennte Zusammenleben in der Ehewohnung dient sicherlich als Gradmesser, ob die Ehe keine Chance mehr hat oder ob beide Partner ihre frühere intime Beziehung vermissen. Ist Letzteres der Fall, kann sich in der gemeinsamen Wohnung schnell ein Versöhnungsversuch anbahnen. Ist den Ehegatten klar geworden, dass sie zurück zu ihrer alten Liebe möchten, können sie die Regeln des Trennungsjahres brechen und die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Vielleicht war dann sogar das Trennungsjahr ein Glücksfall, der die Ehegatten realisieren ließ, dass sie ihre Ehe aufrechterhalten wollen.

 

Option 2 im Trennungsjahr: Neustart mit neuem Partner

 

Auf der anderen Seite kann sich der Beginn des Trennungsjahres anfühlen wie eine Erlösung: Keine Streitereien und keine Bösartigkeiten mehr. Wer nach der Trennung direkt merkt, dass die Ehe unter keinen Umständen wiederbelebt werden kann, der will einen Neustart und die schnellstmögliche Scheidung von dem früheren Ehepartner. Unschädlich wäre im Übrigen sogar ein kurzer Versöhnungsversuch mit einer Dauer von maximal drei Monaten, durch den das Trennungsjahr im rechtlichen Sinne nicht unterbrochen wird. Voraussetzung für eine wirksame Scheidung ist jedoch, dass beide Ehegatten zunächst ein Trennungsjahr absolvieren. Das rechtliche Bündnis der Ehe existiert somit für ein weiteres Jahr zwischen den sich nun nicht mehr liebenden Ehegatten. Um das Scheidungsverfahren zu beschleunigen, können beide Ehegatten oder ein Ehegatte allein bereits nach 10 Monaten Trennung einen Scheidungsantrag stellen.

 

Ein solcher Scheidungsantrag hat allerdings nur Erfolg, wenn der Antragsgegner dem Antrag des antragsstellenden Ehegatten zustimmt. Wenn der Antragsgegner seine Zustimmung unter der Begründung verweigert, dass die Ehe nicht gescheitert ist und der Antragsteller ein Scheitern der Ehe nicht beweisen kann, bedeutet das zunächst, dass die Ehe erst nach 3 Jahren Trennung geschieden werden kann. Dann nämlich bedarf es keines weiteren Beweises mehr, dass die Ehe tatsächlich gescheitert ist. Für Ehegatten, die auf gar keinen Fall nach einem Trennungsjahr für zwei weitere Jahre mit derselben Person verheiratet bleiben wollen, gibt es jedoch einen Lösungsweg. Dieser besteht darin, dass der scheidungswillige, also in der Regel der antragsstellende Ehegatte stichhaltig darlegen muss, dass die Ehe tatsächlich gescheitert ist. Erstens dürfen die Ehegatten keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr führen, also in getrennten Haushalten leben. Zweitens, und das ist für die Untermauerung, dass die Ehe gescheitert ist, meist entscheidend, ist es hilfreich, wenn der antragsstellende Ehegatte bereits einen neuen Lebenspartner hat. Ist ein Ehegatte glücklich frisch verliebt, besteht oftmals keine Hoffnung mehr, die alte Ehe zu retten. Dann sieht auch jeder Familienrichter ein, dass die Ehe gescheitert ist. Sodann macht der Familienrichter mit dem Vollzug der Scheidung endgültig den Weg frei für den Neuanfang.

 

Fazit: Das Trennungsjahr bringt Klarheit

 

Wie Ehegatten ihr Trennungsjahr gestalten, können sie selbst festlegen. Sie können entweder in der gemeinsamen Wohnung verbleiben, oder räumlich getrennte Wege gehen. Genauso ist von ihnen abhängig, wie ihr Trennungsjahr ausgeht. Gibt es ein Liebes-Comeback oder trägt die Suche nach einer neuen Liebe schnell Früchte. Die rechtliche Konstruktion des Trennungsjahres bietet in jedem Fall eine gewisse Flexibilität, um auf das jeweilige Szenario reagieren zu können. So oder so wissen Ehegatten nach Ende des Trennungsjahres, woran sie sind.

 

 

Autor: Rechtsanwalt Clamann, Online Scheidung Deutschland

Rechtsanwalt Niklas Clamann hat zum 1. Januar 2021 die Kanzlei von Rechtsanwalt Christian Kieppe in Münster übernommen. Nun vertritt und berät Rechtsanwalt Clamann Mandanten in allen Rechtsfragen des Familienrechts, insbesondere in Scheidungssachen.

 

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