Das Leben ist gut: Grundvertrauen und Annahme Deiner selbst

Stellen wir uns einmal vor, ein Kind wächst in einer liebevollen und sicheren Atmosphäre heran. Beide Eltern sind stabile, reife Erwachsene und in der Lage, für ihr Kind bestens zu sorgen: Materiell, psychisch, sozial. Zudem wird das Umfeld des Kindes von einer Vielzahl anderer wohlwollender und glücklicher Erwachsener wie den Großeltern und Menschen aus einer guten, nahen Gemein-schaft bereichert. Alle sind engagiert und es gibt zudem noch andere Kinder aus ebenfalls gut funktionierenden Familien. Wenn das Kind schließlich in die Schule kommt geht es hier primär um Förderung der Kinder und um eine unterstützende, individuelle Pädagogik mit weiten Räumen der Selbstbestimmung. Überdies gibt es klare, für das Kind verständliche Grenzen, die im Idealfall mit ihm altersgemäß vereinbart werden,  und die beiden wichtigsten Liebesarten für ein Kind in allen Bereichen zu Hause und in den kindbegleitenden Institutionen: Nestwärme (bedingungslose Annahme, Nähe, Sicherheit und hohe Verlässlichkeit) und Reibungswärme (die Erwachsenen vertreten Werte und ihre eigenen Bedürfnisse und treten dafür auch aktiv ein). 

 

Auch die Jugend geht glatt und das Kind aus dem obigen Beispiel ist wertschätzend integriert in einer bis mehrerer peer groups. Das Elternhaus ist aus dem primären Fokus herausgerückt, begleitet den jungen Heranwachsenden aber immer noch fördernd und fordernd und ist der stabile Hafen, in den der Jugendliche immer wieder zurückkommen kann. Die Umwelt bietet sinnstiftende Perspektiven und unterstützt den jungen Menschen in Fragen, die über den unmittelbaren Erlebnishorizont (weit) hinausreichen. Gleichzeitig sind die ersten sexuellen Erfahrungen positiv und münden bereits in aktive Bindungserfahrungen ein. Der Jugendliche übernimmt sukzessive soziale Verantwortung und erlebt sich als wichtig und wahrgenommen.

 

Okay – kennst Du so jemanden? Und wenn ja: Wie viele Menschen in Deinem Bekanntenkreis sind unter so idealen Bedingungen aufgewachsen? 

 

Solltest Du tatsächlich so jemanden kennen ist bei ihm oder ihr etwas angelegt, was wir Grund- oder Urvertrauen nennen. Diese Menschen sind grundsätzlich Optimisten und fest davon über-zeugt, dass das Leben eine Schatzkiste ist, die viele sehr positive Überraschungen und Geschenke für sie bereithält. Sie gehen mit einer annehmenden und vertrauenden Haltung an alles Neue heran und geben ihm im ersten Schritt immer eine positive Bedeutung oder suchen aktiv danach. Ihre Leistungsbereitschaft und -fähigkeit ist überdurchschnittlich, aber immer eingebettet in eine gesunde Work-Life-Balance. Die Beziehungen sowohl zu Freunden wie auch zu intimen Partnern sind stabil und langfristig und es gibt keine Probleme mit einem gesunden Nähe - / Distanzverhältnis. Unser unter idealen Bedingungen herangewachsener Proband hat keinerlei Probleme mit dem Alleinsein, fühlt sich aber auch in den unterschiedlichsten sozialen Gruppierungen wohl und sicher. Krisen und Trennungen sind keine Katastrophe, sondern werden in einer grundlegenden Gelassenheit und Sicherheit durchgestanden.

 

Ist dieses Grund- oder Urvertrauen nicht vorhanden wird es in der Beziehung zu anderen Menschen schwierig. Vor allem in der intimen Beziehung fragen sich die Partner ständig, ob sie gut genug sind für eben diesen Partner. Ob sie dem Vergleich mit anderen Männern / Frauen standhalten. Das mangelnde Selbstwertgefühl hinterfragt permanent das eigene Verhalten, das Aussehen, generell die Attraktivität in jederlei Hinsicht. Bin ich intelligent und gebildet genug? Kann ich meinen Partner halten, auch wenn ich älter werde? Reicht meine erotische Ausstrahlung oder sexuelle Anziehungskraft aus, um meinen Partner dauerhaft zu begeistern? 

 

Das schlimmste aber an diesen Selbstzweifeln ist deren Übertragung auf den Partner. Es kommen leise Zweifel hoch, wer denn eigentlich dieser Partner ist und warum er keinen „besseren“ Beziehungspartner gewählt hat. Warum nur ich? Der oder die ich doch ganz offensichtlich nicht den besten Maßstäben entspreche? Mit meinen ganzen Mängeln und dem nicht ganz straffen Bauch? Mit den geringen finanziellen Möglichkeiten und so beliebt wie X. bin ich im Freundeskreis auch nicht! Warum also ich, wenn doch so viel bessere herumlaufen? 

 

Diese Selbstzweifel sind wie ein leises schleichendes Gift für Eure Beziehung. Auf die Dauer greifen sie auch den anfänglich vorhandenen Respekt (teilweise geht das sogar in der Verliebtheitsphase bis zur Begeisterung für den Part-ner, der plötzlich das einzige Thema in den Treffen mit Deinen Freunden ist, der absolut einzigartig und wunderbar ist und der ENDLICH der Richtige, die Richtige ist!) an, der stellenweise einer leise bis laut geäußerten Verachtung weicht. Diese bezieht sich im Urgrund tatsächlich gar nicht wirklich auf Deinen Partner, sondern ist Ausdruck des Gefühls, das Du in Wirklichkeit ganz tief innen für Dich selbst empfindest … Aber bevor Du Dir das klar machen kannst / darfst, ohne Dein ganzes eigenes EGO – Konstrukt in Frage zu stellen, machst Du das lieber am Partner fest: Der hat ja doch ganz schön ei-nen an der Waffel! Und überhaupt, wie er mich behandelt! So respektlos, nach einiger Zeit scheinbar gar nicht mehr liebevoll: Er scheint plötzlich ein ganz anderer Mensch zu sein, bestimmt hat er mich anfangs nur getäuscht! 

 

Gehen wir jetzt von diesen Projektionen weg und schauen uns einmal an, was in Wirklichkeit passiert. In der Realität ist Dein Partner der genau richtige Partner – auch nach der Phase der Verliebtheit! (Anmerkung: Ich gehe hier von Beziehungen aus, in der nicht massive und andauern-de schwere psychische oder physische Gewalt vorkommen. Für diese Beziehungen gelten ganz andere Maßstäbe und vor allem der EINE Grundsatz: Sofort aussteigen!) Er muss es nicht für morgen und übermorgen sein, aber genau heute ist es der Partner, den Deine Seele aus ganz verschiedenen und sehr guten Gründen ausgewählt hat: Nicht, um nur dauerhaft Freude und Ekstase zu erleben, sondern auch um zu lernen und zu heilen! 

 

Was ist jetzt an dieser Stelle DEINE Aufgabe? 

 

Ich gebe Dir hierfür zwei Stichwörter: Selbstannahme und Selbstwertschätzung. Das ist in der Tat das BESTE, was Du für Deine Beziehung aktiv tun kannst! Egal, wo Ihr beide gerade steht oder wie sich Dein Partner verhält. Damit kann sich alles verändern, vorausgesetzt, Du siehst Dich selbst in der Verantwortung für die Entwicklung dieser beiden Grundgefühle und machst weder Deinen Partner, Deine Eltern oder sonst wen direkt oder indirekt dafür verantwortlich. 

Im Anschluss an jedes Kapitel findest Du zu dem Thema einige in der Praxis bewährte Übungen aus meinen Workshops und Trainings. Wichtig ist die regelmäßige Arbeit und bitte scheue Dich auch nicht eventuell professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Du allein nicht wirklich weiterkommst. Es lohnt sich! Schließlich geht es um die wichtigste Beziehung in Deinem Leben: Die Beziehung zu Dir selbst. Und glaube mir, Dein Partner wird ungemein davon profitieren, wenn Du Dich auf den Weg zu Dir selbst machst. Ohne neue Verurteilungen, aber mit jeder Menge Mut auch in den Schatten zu blicken! Und das dort genauso anzunehmen und zu lieben wie alle Deine Sonnenseiten auch. Wenn dann der Zeit-punkt gekommen ist kannst Du all diese wunder-baren, aber auch teilweise erschreckenden Entdeckungen mit Deinem Partner teilen. Wenn es für ihn okay ist und wenn Du ihm verdeutlichen kannst, dass Du von ihm nichts erwartest, son-dern ihm einfach nur ein Stück von Dir zeigen willst. So weit und so tief, wie es für ihn und für Dich okay ist! 

 

Ich möchte Dir im Folgenden einige Punkte aufzählen, die ich auf dem Weg zur vollkommenen Selbstannahme für wichtig halte: 

 

• Grenzen! Sorge gut für Deine Gefühle und zeige den anderen, ab wann es für Dich nicht mehr okay ist. Im 21. Kapitel gehe ich darauf noch näher ein. 

• Ehrlichkeit! So radikal wie es Dir möglich ist. Auch Notlügen gehören in Zukunft aus Deinem Repertoire gestrichen!

• Alleine sein! Sorge für regelmäßige Auszeiten nur für Dich selbst. 

• Natur! Gehe so oft wie möglich raus und genieße Bäume, Wälder, Wiesen, Seen, Berge, Meer oder was auch immer Dir da draußen so richtig gut tut! 

• Achtsamkeit! Siehe Kapitel 17

• Bewusstsein! Sorge für eine regelmäßige Meditationspraxis (mindestens 7 Minuten / Tag).  

• Bewusster Medienkonsum: Verzichte auf negative Nachrichten, Bücher, Social Media. Wähle bewusst Bücher, die Dich weiterbringen. Literaturempfehlungen findest Du hier

• Definiere nur für Dich den Sinn Deines Lebens!

• Mache Dir Deine Werte klar und vertrete sie klar und deutlich.

• Was bedeutet Spiritualität für Dich? Welchen transzendenten Sinn hat das Leben für Dich ganz persönlich? 

 

Viel Spaß auf diesem Weg! Und mache Dir deutlich und bewusst, dass alle Entdeckungen darauf ein Geschenk für Dich und Deinen Partner sind! Jede Arbeit an Deiner Persönlichkeit, jede Erfahrung in Eurer Beziehung bringt Dich weiter und näher: Näher zu Dir selbst und dem wunderbaren, liebevollen Seelenwesen in Dir, das Du ganz eigentlich bist! 

 

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