Seitdem es Liebe gibt existieren Missverständnisse über den Begriff oder die Art, wie wir sie leben können. Liebe wird zum Allheilmittel aller möglichen persönlichen Schwierigkeiten deklariert. Sie wird zum Lebensmittelpunkt stilisiert und nicht wenige erhoffen sich durch sie, dass aus ihrem eigenen GRAU ein wunderbares und dauerhaftes ROT wird. Dass alles natürlich automatisch, ohne eigenes Zutun und romantisch verklärt.
Aber das ist nicht die Liebe, die einer nahen Bindung dauerhaft eigen ist. Es ist ein erweitertes Verliebtsein, dass spätestens nach sechs bis neun Monaten einer gewissen Ernüchterung weicht. Der Prinz entpuppt sich als viel weniger strahlend als angenommen und die Prinzessin hat ihre "Tage" und zickt manchmal gewaltig rum. Beide stellen fest, dass der jeweils andere doch nicht so ganz kompatibel ist zu ihrer Vorstellung eines erweiterten ICHs und wenden sich – jeder für sich – an den Freundeskreis mit Klagen über seine / ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten. Das Reden miteinander weicht einem Reden übereinander.
Was in dieser Phase spätestens einsetzen muss ist: Wie lernen wir konstruktiv miteinander zu reden / zu streiten? Wie teilen wir dem anderen unsere Bedürfnisse mit? Wie bekommen wir eigentlich unsere eigenen Bedürfnisse selbst mit? Wie können wir unsere Gefühle formulieren, bei uns selbst bleiben und gleichzeitig die zum (noch) geliebten Menschen vertiefen und erweitern?
Dass alles das funktioniert erwarten wir quasi automatisch. Nur – es gibt keine automatisch funktionierende Liebe! Liebe erfordert spätestens jetzt Arbeit und zwar zuallererst an mir selbst. Nicht Arbeit der Veränderung, sondern viel eher eine Arbeit an dem Ich-ganz-selbst-werden. An der eigenen Authentizität! Dazu gehört zuvorderst die Übernahme der Verantwortung für meine eigenen Bedürfnisse, deren Wahrnehmung und Erfüllung.
Damit sind wir schon bei einem der entscheidenden Punkte überhaupt angelangt. Verantwortung übernehmen heißt, ich begreife mich als Schöpfer meines Lebens und nicht als Opfer der Umstände, des Partners, der Eltern, der Wirtschaft oder der Politik. Natürlich stehen wir alle in gewissen Ausgangspositionen, aber – auf einer hohen spirituellen Ebene – haben wir uns sogar diese selbst gewählt. Und nichts hindert uns, sofort, hier und heute Änderungen vorzunehmen an Umständen, die wir so nicht mehr wollen. Dass das nicht mühe- und hinderungslos vonstattengeht brauche ich hier nicht zu erwähnen. Die besten Dinge – und dazu zählt eben auch das Besitz-Ergreifen von Dir selbst und Deinem "Schicksal" - haben ihren Preis. Magst Du ihn zahlen und AB HEUTE glücklich leben?
Jetzt wirst Du einwenden: Ja, aber mein Partner will ja gar nicht! Er macht dies oder jenes und lässt zugleich dieses ganz aus! Und am Anfang war er so ganz anders! Da war er oder sie noch liebenswert, attraktiv und hat mich förmlich verrückt gemacht! Das ist jetzt weg und was bleibt mir anderes übrig als zu gehen und ENDLICH den wirklich richtigen Partner für mich zu finden?
Willst Du die GUTE BOTSCHAFT hören? Du kannst völlig unabhängig von Deinem Partner anfangen! DU kannst heute Dein Leben in die Hand nehmen und schon mal losgehen. Du brauchst Deinen Partner dafür nicht. Im Gegenteil – wenn Du anfängst, für Dich und Dein Leben Verantwortung zu übernehmen, ihn oder sie mitsamt allen Deinen Bedürfnissen und Nöten loszulassen, wird das einen mächtigen Sog schaffen, dem sich Dein Partner kaum wird entziehen können.
Ich werde in den praktischen HowToDo-Blogartikeln konkret darauf eingehen, wie Du das machen kannst. Entscheidend dabei wird sein, dass Du es für DICH tust. Und hier kommen wir zu einem weiteren sehr weit verbreiteten Missverständnis über die Liebe in Partnerschaften.
Aus einem religiös-christlichen Kontext heraus hat sich im Laufe der Jahrhunderte das Bild einer fast rein altruistischen Ehe / Beziehung geprägt. In der Ehe und in der Familie galt das Prinzip der Aufopferung. Und dabei wurde die Formel angewendet: Je aufopferungsvoller, desto heiliger und damit Gott gefälliger. Um die eigene Person selbst ging es dabei wenig bis gar nicht. Vor allem die Frau in der Ehe galt dann als besonders gottgefällig, wenn sie die eigene Person VÖLLIG hintanstellte.
Dieses Prinzip wurde dann konsequenterweise auch auf die Kindererziehung angewendet und hier waren es wiederum vor allem die Mädchen, die früh lernten, dass eigene Bedürfnisse, Gefühle und Träume FALSCH sind, nicht statthaft, gegen Gottes Ordnung. Folglich kam es zu einer bereits in jungen Jahren perfektionierten Unterdrückung jedes Selbstausdruckes und jeder Selbstwahrnehmung. Ziel war die Auslöschung des "Eigenen", des als gefährlich wahrgenommenen reinen Gefühls. Bis in die späte Freud'sche Psychoanalyse hinein gilt in der Tat die spezifisch weibliche Emotion als potentiell oder akut neurotisch und Grundlage einer pathogenen Entwicklung der wiederum nachfolgend aufgezogenen Kinder.
Auch heute noch gilt daher die Vorstellung, dass Liebe sich primär auf den Beziehungspartner zu fokussieren habe. Dessen Wohlergehen müsse Vorrang vor dem eigenen haben und dem gemeinsamen Geschick solle alles Interesse gelten. Eigene Bedürfnisse werden dabei als eher störend wahrgenommen und spätestens, wenn das Paar zu einer Familie geworden ist, seien die Anliegen der Kinder generell höher zu bewerten.
Wir werden in diesem "Die Liebe und Ich" Blog nur kurz den entwicklungspsychologischen Hintergrund der paarerweiternden Familie streifen und uns primär auf das Paar selbst und vor allem auf das Individuum in der Partnerschaft als handelndes Subjekt konzentrieren. Das heißt: Wie kann Partnerschaft gelingen bei gleichzeitig NOTWENDIGER progressiver Persönlichkeitsentwicklung der beiden in der Partnerschaft handelnden? Wie kann also ich ICH bleiben und gleichzeitig ein gemeinsames WIR aufbauen oder aber sogar durch mein immer essentieller entwickeltes Ich diese Liebespartnerschaft entscheidend und vor allem dauerhaft stärken?
Das letzte Missverständnis in Partnerschaften, das wir uns hier anschauen wollen, stellt die Dominanz des "Liebesgefühls" über alle anderen relevanten Eckdaten vor. Tatsächlich lässt sich aus meiner Beratungspraxis heraus schließen, dass es einige Parameter gibt, die eine Partnerschaft dauerhaft erfolgreich machen. Alle diese Parameter werden in eigenen Blogartikeln ausführlich vorgestellt werden, deswegen hier nur die knappe Aufzählung:
1. Eine in etwa einander entsprechende Libido
2. Die gleiche "Sprache der Liebe"
3. Eine ungefähr identische emotionale und eingeschränkt auch rational – kognitive Intelligenz
4. Die Bereitschaft zum persönlichen Wachstum und die dazu notwendige Flexibilität.
Ja, es klappt unter Umständen auch ohne diese Parameter und vor allem klappt es auch ohne das Verliebtheitsgefühl des Anfangs. Aber die je eigene Arbeit, die Energie und die Belastung der Partner steigt signifikant an. Und es gibt natürlich Partnerschaftsmodelle, die auch ohne große persönliche Nähe in einem gemeinsamen "Geschäftsmodell" durchaus funktional sind. Aber hierbei von Liebe zu sprechen im Sinne einer persönlichen dauerhaften intimen Nähe und starker auch nicht-körperlicher Anziehung verbietet sich per definitionem.
Wir werden in diesem Zusammenhang in späteren Kapiteln zu klären haben, woher denn dieses "Liebesgefühl" vor allem der ersten Monate (oder eines noch kürzeren Zeitraumes) kommt. Hierfür werden wir verschiedene Klärungsansätze nutzen und auch unkonventionelle Interpretationen zulassen. Was aber wichtig ist festzustellen bleibt: Nichts geht über die eigene emotional-spirituelle "Wahrheit" und wir werden keinesfalls an dieser Stelle den Fehler der Psychopathologie wiederholen, alles "Gefühl" als letztlichen Ausdruck einer neurotischen oder sonst wie gefärbten Indikation anzusehen. Wird dies doch bereits in der Kindheit – wie wir oben gesehen haben – fatalerweise von Erwachsenen genutzt, die sich aus Angst einen primär rationalen Zugang zur Wirklichkeit geschaffen haben …
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